Betäubungsmittelstrafrecht
Betäubungsmittelstrafrecht – Einordnung und Risiken
Das Betäubungsmittelstrafrecht erfasst alle strafbaren Handlungen im Umgang mit Drogen wie Cannabis, Kokain, Amphetaminen, Opiaten und vergleichbaren Stoffen nach den §§ 29 ff. Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Unter Strafe stehen unter anderem Besitz, Erwerb, Anbau, Einfuhr, Herstellung und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, wobei Art und Menge der Substanz für den Strafrahmen eine zentrale Rolle spielen. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das BtMG kann es zu Wohnungsdurchsuchungen, Sicherstellungen, Führerscheinmaßnahmen und in bestimmten Konstellationen auch zu Untersuchungshaft kommen.
Als Rechtsanwalt für Strafrecht gehört die Verteidigung in Ermittlungsverfahren und Strafprozessen mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz zum Alltag.
Rechtlicher Rahmen und typische Konstellationen
Das BtMG unterscheidet zwischen verschiedenen Tatbeständen, wobei der „Grundtatbestand“ des § 29 BtMG u.a. Besitz, Erwerb und verschiedene Varianten der Weitergabe von Betäubungsmitteln unter Strafe stellt, während qualifizierte Delikte – etwa der Umgang mit „nicht geringen Mengen“ oder bewaffnetes Handeltreiben – zu deutlich erhöhten Strafrahmen führen. In der Praxis ist deshalb die Feststellung der Menge und des Wirkstoffgehalts von besonderer Bedeutung, da u.a. hiervon abhängt, ob der „normale“ oder ein qualifizierter Tatbestand ein erfüllt ist oder ggf. auch nur ein minder schwerer Fall vorliegt.
Häufige Fallkonstellationen sind der Vorwurf des Besitzes von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum, das Handeltreiben in kleinem oder größerem Umfang, der unerlaubte Anbau von Cannabis, die Einfuhr von Drogen aus dem Ausland oder der Vorwurf bandenmäßigen oder bewaffneten Handeltreibens. Hinzu kommen Konstellationen, in denen Ermittlungsbehörden aufgrund von Aussagen Dritter, Telekommunikationsüberwachung oder anderen verdeckten Maßnahmen ein Verfahren einleiten, ohne dass zunächst Betäubungsmittel physisch sichergestellt wurden.
Je nach Verdachtslage und Vorstrafenregister reicht das Spektrum möglicher Folgen von Einstellungen des Verfahrens – etwa bei geringer Schuld oder geringer Menge – über Geldstrafen und Bewährungsstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen ohne Bewährung bei qualifizierten Delikten. Spezielle Vorschriften wie § 31a BtMG ermöglichen in bestimmten Fällen ein Absehen von Strafverfolgung, etwa bei Eigenverbrauch in geringer Menge und fehlender Fremdgefährdung, sofern die Staatsanwaltschaft dies für vertretbar hält.
Typischer Ablauf eines BtMG-Verfahrens
Ein Ermittlungsverfahren im Betäubungsmittelstrafrecht beginnt häufig mit einer Anzeige, einer Kontrolle, einem Fund von Drogen oder Hinweisen aus anderen Verfahren, etwa im Rahmen der sogenannten Kronzeugenregelung, bei der Beschuldigte in eigenen Verfahren Angaben zu weiteren Personen machen. Liegt ein Anfangsverdacht vor, leitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein und beauftragt die Polizei mit weiteren Ermittlungen, etwa Observationen, Telekommunikationsüberwachung oder Durchsuchungen.
Hausdurchsuchungen werden in der Regel richterlich angeordnet; bei Gefahr im Verzug können auch Staatsanwaltschaft oder Polizei anordnen, wenn ein konkreter Verdacht auf eine BtMG-Straftat besteht und Beweismittel in der Wohnung vermutet werden. Im Rahmen der Durchsuchung werden Betäubungsmittel, Kommunikationsgeräte, Unterlagen und sonstige Beweismittel sichergestellt, die später ausgewertet und in die Ermittlungsakte aufgenommen werden.
Kommt es zu Festnahme und Untersuchungshaft, setzt dies nach der Strafprozessordnung einen dringenden Tatverdacht sowie einen Haftgrund (z.B. Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr) voraus; zusätzlich muss die Maßnahme verhältnismäßig sein. In Haftsachen besteht eine besondere Pflicht zur Beschleunigung des Verfahrens, das heißt, die Ermittlungen und die Entscheidung über Anklage oder Verfahrenseinstellung müssen zügig vorangetrieben werden.
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt, ein Strafbefehl beantragt oder Anklage erhoben wird. Wird Anklage erhoben, prüft das zuständige Gericht, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und eröffnet gegebenenfalls das Hauptverfahren, in dem dann Beweise erhoben, Zeugen vernommen und Gutachten erörtert werden. In diesem Stadium geht es darum, die bisherige Beweisführung kritisch zu hinterfragen, entlastende Umstände herauszuarbeiten und gegebenenfalls auf Verständigungslösungen oder Strafmilderung hinzuwirken.
Rechte als Beschuldigter und typische Fehler
Als Beschuldigter in einem Strafverfahren besteht das Recht, zur Sache zu schweigen und jederzeit einen Verteidiger zu konsultieren; verpflichtend sind nur Angaben zu den Personalien. Dieses Schweigerecht gilt vom ersten Kontakt mit der Polizei über Vernehmungen bis hin zur Hauptverhandlung und darf rechtlich nicht zu Ihrem Nachteil gewertet werden, sofern es ordnungsgemäß ausgeübt wird.
Ein häufiger Fehler besteht darin, bereits bei ersten polizeilichen Maßnahmen – etwa anlässlich einer Kontrolle oder einer Durchsuchung – spontan Angaben zu Herkunft, Zweck oder Weitergabe von Betäubungsmitteln zu machen, ohne die späteren strafrechtlichen Folgen zu überblicken. Gerade im Betäubungsmittelstrafrecht können unüberlegte Einlassungen zu Mengen, Absprachen oder Beteiligten die Beweislage deutlich verschlechtern und Verteidigungsspielräume spürbar einengen.
Zudem besteht das Recht auf Akteneinsicht, also auf Kenntnis aller bisherigen Ermittlungsergebnisse, Zeugenaussagen und Gutachten. Dieses sollte unbedingt wahrgenommen werden, bevor nach anwalticher Beratung über eine Einlassung entschieden wird. Die Möglichkeit, zunächst nur die Vorladung zur Vernehmung abzusagen, Akteneinsicht zu beantragen und erst danach – schriftlich oder mündlich – zur Sache Stellung zu nehmen, ist ein wichtiger Baustein effektiver Strafverteidigung.
Bei bestehender oder drohender Untersuchungshaft geht es nicht nur um die Entkräfitigung des dringenden Tatverdachts, sondern auch darum, das Vorliegen eines Haftgrundes kritisch zu überprüfen und mildere Alternativen zur Haft – wie Auflagen oder Meldepflichten – in den Blick zu nehmen.
Verteidigungsansätze und häufige Mandantenfragen
Im Betäubungsmittelstrafrecht spielen die genaue Feststellung von Menge und Wirkstoffgehalt, die Abgrenzung zwischen Eigenverbrauch und Handeltreiben sowie die Bewertung von Beweismitteln – etwa verdeckten Ermittlungen, Telefonüberwachung oder Zeugenaussagen – eine zentrale Rolle. Die Verteidigungsstrategie kann darauf abzielen, die Erfüllung eines qualifizierten Tatbestands (z.B. „nicht geringe Menge“ oder bewaffnetes Handeltreiben) in Frage zu stellen oder die Einbindung des Mandanten auf eine geringere Beteiligungsform (z.B. Beihilfe statt Mittäterschaft) zu begrenzen.
Je nach Ausgangslage kommt auch eine Verfahrenseinstellung in Betracht, etwa im Rahmen von § 31a BtMG oder allgemeinen Vorschriften zur Verfahrensbeschränkung und ‑einstellung, insbesondere bei erstmaligen Auffälligkeiten, geringen Mengen oder erfolgreicher Therapie. In Fällen, in denen eine Verurteilung nicht zu vermeiden ist, liegt der Fokus auf der Begrenzung des Strafmaßes und der Erreichung von Bewährung, um die persönlichen und beruflichen Folgen so gering wie möglich zu halten.
Häufig gestellte Fragen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten sind unter anderem:
Ob bei erstmaliger Auffälligkeit mit einer Freiheitsstrafe oder eher mit einer Geldstrafe zu rechnen ist.
Welche Auswirkungen ein Verfahren auf das Führungszeugnis und die berufliche Zukunft hat.
Unter welchen Voraussetzungen der Führerschein entzogen oder eine Meldung an die Fahrerlaubnisbehörde veranlasst wird.
Wie mit Vorladungen, Durchsuchungen und Sicherstellungen konkret umzugehen ist.
Ob und wann eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden, etwa im Rahmen von Aussagen zu Lieferketten, sinnvoll oder strafmildernd sein kann.
FAQs
Die Straferwartung hängt von Art der Droge, Menge, Zweck (Eigenkonsum oder Handel) und etwaigen Vorstrafen ab. Bei einfachen Verstößen nach § 29 BtMG reicht der Strafrahmen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Werden qualifizierte Tatbestände wie Besitz oder Handeltreiben in „nicht geringer Menge“ erfüllt, sieht das Gesetz deutlich höhere Mindestfreiheitsstrafen vor, teils ohne Möglichkeit der Geldstrafe.
Unter „geringer Menge“ versteht man eine so kleine Wirkstoffmenge, dass im Einzelfall eine Einstellung des Verfahrens – etwa nach § 31a BtMG – in Betracht kommen kann. Die „nicht geringe Menge“ ist eine vom Gesetz besonders hervorgehobene Schwelle; wird sie überschritten, liegt in der Regel ein Verbrechen mit Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr vor. Die konkreten Grenzwerte sind je nach Substanz (z.B. Cannabis, Kokain, Amphetamin) unterschiedlich festgelegt und orientieren sich am Wirkstoffgehalt.
Beschuldigte sind nicht verpflichtet, einer polizeilichen Vorladung zur Vernehmung Folge zu leisten; eine Pflicht besteht erst bei einer staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Ladung. Unabhängig davon besteht jederzeit das Recht, zur Sache zu schweigen und zunächst keine Angaben zu Tat, Drogenmenge oder Beteiligten zu machen. Vor einer Einlassung empfiehlt sich die Einsicht in die Ermittlungsakte über einen Verteidiger, um Chancen und Risiken einer Aussage einschätzen zu können.
Bei einer Durchsuchung sollte zunächst Ruhe bewahrt und die Vorlage des Durchsuchungsbeschlusses verlangt werden. Zugleich sollte ohne zu Zögern ein Rechtsanwalt kontaktiert werden. Eine freiwillige Preisgabe weitergehender Informationen gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft sollte unbedingt vermieden werden. Insbesondere Angaben zur Herkunft der Betäubungsmittel, zu Lieferwegen oder Mitbeteiligten sollten ohne vorherige rechtliche Beratung nicht gemacht werden, da spontane Äußerungen später als belastendes Beweismittel verwertet werden können.
Untersuchungshaft kommt in Betracht, wenn ein dringender Tatverdacht besteht und zusätzlich ein Haftgrund wie Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr vorliegt. Bei Tatvorwürfen im Zusammenhang mit Drogen ist dies besonders bei qualifizierten Delikten, hohen Mengen, bandenmäßigem/organisiertem oder bewaffnetem Handeltreiben häufig. Für Haftsachen gilt ein Beschleunigungsgebot, das heißt, Ermittlungsbehörden und Gerichte müssen das Verfahren vorrangig fördern und Entscheidungen zügig herbeiführen.
Gerade bei erstmaliger Auffälligkeit, geringer Menge und fehlender Fremdgefährdung besteht die Möglichkeit, dass Staatsanwaltschaft oder Gericht das Verfahren — ggf. gegen Auflagen — einstellen. Auch Therapiebereitschaft oder erfolgreiche Behandlung einer Abhängigkeit können sich positiv auf die Entscheidung über Einstellung oder Strafmaß auswirken. Ob eine Einstellung realistisch ist, hängt stets von der konkreten Aktenlage, der Drogenmenge und etwaigen Vorstrafen ab und sollte nach Akteneinsicht geprüft werden.
