Jugend­straf­recht

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Jugend­straf­recht – Beson­der­hei­ten und Anwendungsbereich

Das Jugend­ge­richts­ge­setz (JGG) gilt für Jugend­li­che, die zur Tat­zeit zwi­schen 14 und 17 Jah­re alt sind; unter 14 Jah­ren ist eine straf­recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit nicht gege­ben. Für Her­an­wach­sen­de, die zur Tat­zeit 18, aber noch nicht 21 Jah­re alt sind, kann das Gericht Jugend­straf­recht anwen­den, wenn Per­sön­lich­keit und Tat­bild eher einem Jugend­li­chen als einem Erwach­se­nen entsprechen.

Typi­sche Ver­fah­ren im Jugend­straf­recht betref­fen Delik­te wie Dieb­stahl, Sach­be­schä­di­gung, Kör­per­ver­let­zung, Betäu­bungs­mit­tel­ver­stö­ße oder ein­fa­che­re Ver­mö­gens­de­lik­te, häu­fig im Zusam­men­hang mit Schu­le, Frei­zeit oder dem nahen sozia­len Umfeld. Anders als im Erwach­se­nen­straf­recht steht im Jugend­straf­recht die per­sön­li­che Ent­wick­lung, die fami­liä­re Situa­ti­on und die bis­he­ri­ge Bio­gra­fie des Jugend­li­chen deut­lich mehr im Vordergrund.

Inhalts­ver­zeich­nis
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    Ablauf eines Jugendstrafverfahrens

    Ein Jugend­straf­ver­fah­ren beginnt in der Regel mit einer Anzei­ge – etwa durch Geschä­dig­te, Poli­zei, Schu­le oder Jugend­amt –, wor­auf­hin ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wird. Neben dem eigent­li­chen Tat­vor­wurf wer­den schon in die­ser Pha­se sozia­le Hin­ter­grün­de, schu­li­sche Situa­ti­on und etwa­ige Vor­be­las­tun­gen erho­ben, regel­mä­ßig unter Ein­bin­dung der Jugendgerichtshilfe.

    Kommt es zur Ankla­ge, wird die Sache vor dem Jugend­ge­richt ver­han­delt, wobei die Ver­hand­lung nicht öffent­lich und stär­ker auf die Per­son des Jugend­li­chen und des­sen per­sön­li­che Ent­wick­lung aus­ge­rich­tet ist als im Erwach­se­nen­straf­recht. Die Jugend­ge­richts­hil­fe erstat­tet in der Haupt­ver­hand­lung regel­mä­ßig Bericht zur Per­sön­lich­keit, zu Fami­lie, Schu­le oder Aus­bil­dung und spricht Emp­feh­lun­gen zu geeig­ne­ten Maß­nah­men aus, die das Gericht bei der Ent­schei­dung über Sank­tio­nen berücksichtigt.

    Wie im Erwach­se­nen­straf­ver­fah­ren ver­läuft auch die Jugend­ge­richts­ver­hand­lung mit Ver­le­sung der Ankla­ge, Beleh­rung über das Schwei­ge­recht, Beweis­auf­nah­me und Urteils­ver­kün­dung, jedoch mit stär­ke­rem Fokus auf erklä­ren­der Anspra­che und Zukunfts­per­spek­ti­ven. Gegen Urtei­le des Jugend­ge­richts kön­nen Beru­fung oder Revi­si­on ein­ge­legt wer­den, über die dann das Land­ge­richt, das Ober­lan­des­ge­richt oder der Bun­des­ge­richts­hof entscheidet.

    Sank­tio­nen im Jugendstrafrecht

    Das Jugend­straf­recht kennt eine abge­stuf­te Reak­ti­ons­pa­let­te: Erzie­hungs­maß­re­geln, Zucht­mit­tel und als letz­tes Mit­tel die Jugend­stra­fe. Erzie­hungs­maß­re­geln umfas­sen vor allem Wei­sun­gen (z.B. Teil­nah­me an sozia­len Trai­nings­kur­sen, Anti‑Gewalt‑Trainings, Kon­takt­ver­bo­ten) sowie die Anord­nung, Hil­fe zur Erzie­hung in Anspruch zu nehmen.

    Zucht­mit­tel sind Ver­war­nung, Auf­la­gen und Jugend­ar­rest; Auf­la­gen kön­nen etwa Scha­dens­wie­der­gut­ma­chung, Ent­schul­di­gung, Arbeits­leis­tun­gen oder Geld­auf­la­gen sein, wäh­rend Jugend­ar­rest in Form von Freizeit‑, Kurz‑ oder Dau­er­ar­rest bis zu vier Wochen ange­ord­net wer­den kann. Rei­chen die­se Maß­nah­men wegen „schäd­li­cher Nei­gun­gen“ oder wegen Schwe­re der Tat nicht aus, kann Jugend­stra­fe – eine Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren, in beson­ders schwe­ren Fäl­len bis zu zehn Jah­ren – ver­hängt wer­den. Sofern die Stra­fe zwei Jah­re nicht über­schrei­tet, kann die­se, wie im Erwach­se­nen­straf­recht, zur Bewäh­rung.​

    Erzie­hungs­maß­re­geln und Zucht­mit­tel erschei­nen nicht im Füh­rungs­zeug­nis, wer­den aber im Erzie­hungs­re­gis­ter als Teil des Bun­des­zen­tral­re­gis­ters doku­men­tiert. Jugend­stra­fen hin­ge­gen wer­den im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter ein­ge­tra­gen und kön­nen – je nach Höhe und Delikt – spä­ter in Füh­rungs­zeug­nis­sen und bei behörd­li­chen Über­prü­fun­gen rele­vant wer­den. Gera­de des­halb ist es im Jugend­straf­ver­fah­ren wich­tig, früh­zei­tig auf Lösun­gen hin­zu­wir­ken, die ohne Jugend­stra­fe aus­kom­men, wenn dies päd­ago­gisch und recht­lich ver­ant­wort­bar erscheint.

    Rech­te von Jugend­li­chen und Eltern

    Jugend­li­che Beschul­dig­te haben – wie Erwach­se­ne – das Recht zu schwei­gen und sind nur ver­pflich­tet, Anga­ben zu ihrer Per­son zu machen. Eine Aus­sa­ge zur Sache soll­te in der Regel erst nach anwalt­li­cher Bera­tung und nach Ein­sicht in die Ermitt­lungs­ak­te erfol­gen, damit Chan­cen und Risi­ken einer Ein­las­sung rea­lis­tisch ein­ge­schätzt wer­den können.

    Erzie­hungs­be­rech­tig­te wer­den im Jugend­straf­ver­fah­ren grund­sätz­lich betei­ligt, haben Anwe­sen­heits­rech­te in der Ver­hand­lung und sind wich­ti­ge Gesprächs­part­ner für Jugend­ge­richts­hil­fe und Gericht bei der Beur­tei­lung der per­sön­li­chen Situa­ti­on. Bei schwer­wie­gen­den Vor­wür­fen – etwa bei erheb­li­chen Gewalt‑ oder Sexu­al­de­lik­ten – kommt regel­mä­ßig eine sog. not­wen­di­ge Ver­tei­di­gung in Betracht, sodass für den Jugend­li­chen bzw. den Her­an­wach­sen­den zwin­gend ein Ver­tei­di­ger zu bestel­len ist.

    Häu­fi­ge Fra­gen (FAQ) zum Jugendstrafrecht

    Nach einer Anzei­ge füh­ren Poli­zei und Jugend­staats­an­walt­schaft Ermitt­lun­gen durch, ver­neh­men Zeu­gen, holen gege­be­nen­falls Berich­te von Schu­le oder Jugend­amt ein und prü­fen, ob eine Ankla­ge erho­ben oder das Ver­fah­ren ein­ge­stellt wer­den kann. Bereits in die­ser Pha­se wird die Jugend­ge­richts­hil­fe häu­fig ein­be­zo­gen, um ein Bild von der per­sön­li­chen und fami­liä­ren Situa­ti­on zu gewinnen.

    Für Her­an­wach­sen­de, also Per­so­nen, die bei Bege­hung der vor­ge­wor­fe­nen Tat zwar 18 aber noch nicht 21 Jah­re alt waren, kann Jugend­straf­recht ange­wen­det wer­den, wenn Gesamt­wür­di­gung von Per­sön­lich­keit und Tat­bild ergibt, dass sie in ihrer Ent­wick­lung noch einem Jugend­li­chen gleich­ste­hen. In der Pra­xis prü­fen Gerich­te bei Her­an­wach­sen­den ins­be­son­de­re Rei­fe­grad, Lebens­si­tua­ti­on und „jugend­ty­pi­sche“ Umstän­de der Tatbegehung.

    Die Band­brei­te reicht von Erzie­hungs­maß­re­geln (z.B. Wei­sun­gen, Hil­fen zur Erzie­hung) über Zucht­mit­tel wie Ver­war­nung, Auf­la­gen und Jugend­ar­rest bis hin zur Jugend­stra­fe, die als Frei­heits­stra­fe zwi­schen sechs Mona­ten und zehn Jah­ren aus­ge­stal­tet ist. Wel­che Reak­ti­on gewählt wird, hängt von Schwe­re der Tat, Vor­be­las­tun­gen und der per­sön­li­chen Ent­wick­lung des Jugend­li­chen ab. Dabei steht der Erzie­hungs­ge­dan­ke stets im Vordergrund.

    Erzie­hungs­maß­re­geln und Zucht­mit­tel wer­den im Erzie­hungs­re­gis­ter doku­men­tiert, erschei­nen aber nicht im Füh­rungs­zeug­nis; Jugend­stra­fen dage­gen wer­den im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter ein­ge­tra­gen und kön­nen spä­ter im Füh­rungs­zeug­nis rele­vant wer­den und sich auf Aus­bil­dung, Beruf und behörd­li­che Prü­fun­gen auswirken.

    Zu einer poli­zei­li­chen Vor­la­dung als Beschul­dig­ter besteht grund­sätz­lich kei­ne Pflicht zu erschei­nen; sowohl Jugend­li­che als auch Eltern haben das Recht, zur Sache zu schwei­gen. Ledig­lich bei gericht­li­chen oder staats­an­walt­schaft­li­chen Ladun­gen besteht eine Pflicht zum Erschei­nen; das Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht bleibt jedoch auch dort unberührt.

    Ja, je nach Schwe­re der Tat, Vor­be­las­tun­gen und erzie­he­ri­scher Per­spek­ti­ve sind Ein­stel­lun­gen des Ver­fah­rens – teils gegen Auf­la­gen wie Scha­dens­wie­der­gut­ma­chung, Arbeits­leis­tun­gen oder Teil­nah­me an Pro­gram­men – mög­lich, ohne dass es zu einer Jugend­ge­richts­ver­hand­lung kommt. Gera­de bei Erst­tä­tern in weni­ger gra­vie­ren­den Fäl­len kann früh­zei­ti­ge Ver­tei­di­gung dazu bei­tra­gen, eine Lösung zu fin­den, die die Ent­wick­lung des Jugend­li­chen för­dert und zugleich das Ver­fah­ren in geord­ne­ten Bah­nen abschließt.

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