Strafverteidigung im Kapitalstrafrecht
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Kapitalstrafrecht – Verteidigung bei Mord und Totschlag
Unter dem Begriff Kapitalstrafrecht werden in der Praxis vor allem vorsätzliche Tötungsdelikte und Delikte mit Todesfolge zusammengefasst, insbesondere Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge sowie Raub mit Todesfolge. Solche Vorwürfe sind mit Freiheitsstrafen von vielen Jahren bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe bedroht und führen regelmäßig zu intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und spezialisierter Ermittlungsgruppen der Polizei (Mordkommission oder Sonderkommission).
Wer sich einem Verdacht wegen Mordes oder Totschlags ausgesetzt sieht, ist häufig mit Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen und in der Regel auch mit Untersuchungshaft konfrontiert. In dieser Situation ist es entscheidend, die eigenen Rechte als Beschuldigter zu kennen, frühzeitig einen Strafverteidiger für Tötungsdelikte einzuschalten und jede Einlassung gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft sorgfältig mit einem Anwalt abzustimmen.
Was ist der Unterschied zwischen Mord und Totschlag?
Mord ist rechtlich eine vorsätzliche Tötung, bei der bestimmte, im Gesetz benannte Mordmerkmale vorliegen. Solche Mordmerkmale liegen vor, wenn der Täter heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Mordlust, Habgier, in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder aus sonst niedrigen Beweggründen tötet. Liegt ein solches Mordmerkmal vor, sieht das Gesetz grundsätzlich eine lebenslange Freiheitsstrafe vor, eine mildere Strafe ist nur in gesetzlich eng begrenzten Ausnahmefällen möglich.
Totschlag ist ebenfalls eine vorsätzliche Tötung eines Menschen, allerdings ohne das Vorliegen dieser besonderen Mordmerkmale; der gesetzliche Strafrahmen reicht hier im Regelfall von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Für die Verteidigung spielt die präzise rechtliche Einordnung des Tatgeschehens deshalb eine zentrale Rolle, weil die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag über Höhe und Spanne der drohenden Strafe entscheidet.
Neben Mord und Totschlag existieren weitere relevante Tötungsdelikte, etwa Körperverletzung mit Todesfolge oder fahrlässige Tötung, bei denen der Tatvorwurf und der Strafrahmen jeweils anders gelagert sind. Eine differenzierte Betrachtung der subjektiven Seite (Vorsatz, Fahrlässigkeit, affektive Ausnahmesituationen) gehört daher zu den Kernaufgaben der Verteidigung.
Wie läuft ein Verfahren bei Tötungsdelikten ab?
Ein Verfahren im Kapitalstrafrecht beginnt, wie jedes andere Strafverfahren auch, mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft, sobald ein Anfangsverdacht auf ein Tötungsdelikt besteht. Es folgen umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen wie Tatortarbeit, Spurensicherung, rechtsmedizinische Obduktion, Auswertung von Kommunikationsdaten und die Vernehmung von Zeugen sowie möglicher (Mit-)Beschuldigter.
Wird seitens des Haftrichters ein dringender Tatverdacht bejaht, kann dieser gem. § 112 Abs. 3 StPO in Fällen von Mord und Totschalg auch ohne Vorliegen von Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr einen Haftbefehl erlassen. In der Praxis stellt sich die Untersuchungshaft in Kapitalstrafsachen daher auch als Regelfall dar.
Kommt es zur Anklage, prüft das Gericht zunächst im Zwischenverfahren, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und das Hauptverfahren eröffnet werden soll. In der Hauptverhandlung werden Beweise erhoben, Zeugen und Sachverständige – insbesondere Rechtsmediziner und psychiatrische Gutachter – angehört sowie mögliche Mordmerkmale und Schuldfähigkeitsfragen eingehend erörtert.
Rechte des Beschuldigten
Auch in Kapitalstrafsachen gilt uneingeschränkt das Recht zu schweigen; verpflichtend sind nur Angaben zu den Personalien, nicht zur Sache. Bereits in einem frühen Stadium ist eine Pflichtverteidigung vorgesehen, damit ein Beschuldigter seine Verteidigungsrechte – insbesondere Akteneinsicht über den Verteidiger und die Stellung von Anträgen – effektiv wahrnehmen kann. In Haftsachen gilt zudem ein Beschleunigungsgebot: Ermittlungsbehörden und Gerichte müssen das Verfahren vorrangig fördern, um über Anklage oder Entlassung aus der Haft zügig zu entscheiden.
Strafverteidigung bei Tötungsdelikten
Im Fall eines Strafverfahrens wegen eines Tötungsdelikts liegt in aller Regel ein Fall der sog. notwendigen Verteidigung vor. Das bedeutet, dass bereits im Ermittlungsstadium ein Anspruch auf anwaltlichen Beistand besteht, sodass ein Strafverteidiger für Mord‑ und Totschlagsvorwürfe beigeordnet werden muss, wenn kein eigener Wahlverteidiger mandatiert ist. Ein zentrales Verteidigungsrecht ist dabei die umfassende Akteneinsicht, um die Beweislage, etwaige Widersprüche in Zeugenaussagen und die Bewertung rechtsmedizinischer oder psychiatrischer Gutachten nachvollziehen und hinterfragen zu können.
Strategisch bedeutsam ist die Frage, ob und in welcher Form eine Einlassung zur Sache erfolgt oder ob zunächst von dem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht wird. Unbedachte Äußerungen – insbesondere unmittelbar nach Festnahme, bei ersten Vernehmungen oder im Umfeld von Hausdurchsuchungen – können später als belastendes Indiz gewertet werden und lassen sich im weiteren Verfahren oft nur schwer korrigieren. Die Verteidigung hat daher die Aufgabe, das Aussageverhalten abgestimmt zu planen und gegebenenfalls alternative Deutungen des Tatgeschehens oder entlastende Umstände herauszuarbeiten.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist für den Strafverteidiger insbesondere die Befragung von Sachverständigen und die Stellung von Beweisanträgen von besonderer Bedeutung. Gegebenenfalls sind auch ergänzende Gutachten einzholen.
Wegen der erheblilch unterschiedlichen Strafrahmen und der für den Mord vorgesehenen lebenslagen Freiheitsstrafe liegt bei vorsätzlichen Täötungsdelikten ein besonderes Augenmerk auf der Prüfung , ob Mordmerkmale tatsächlich vorliegen oder ob eine rechtliche Bewertung als Totschlag oder ein anderes Tötungsdelikt in Betracht kommt.
Da Kapitalstrafsachen erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandlet werden, besteht für Angeklagte keine Möglichkeit im Rahmen einer Berufung eine erneute Beweisaufnahme vor einem anderen Gericht zu erzwingen. Gegen erstinstazliche Urteile des Landgerichts ist ausschließlich die Revision das statthafte Rechtsmittel. Eine fundierte und engagierte Verteidigung ist daher von besonderer Bedeutung.
Häufige Fragen (FAQ) zum Kapitalstrafrecht
Mord ist eine vorsätzliche Tötung mit bestimmten Mordmerkmalen wie beispielsweise Heimtücke, Grausamkeit oder Habgier; liegt eines der in § 211 StGB genannten Mordmerkmale vor, sieht das Gesetz grundsätzlich lebenslange Freiheitsstrafe vor. Totschlag ist ebenfalls eine vorsätzliche Tötung, jedoch ohne diese besonderen Merkmale, mit einem Strafrahmen in der Regel von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.
Untersuchungshaft setzt grundsätzlich einen dringenden Tatverdacht und einen Haftgrund wie Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr voraus; außerdem muss die Haft verhältnismäßig sein. Bei Vorwürfen wie Mord oder Totschlag bedarf es gem. § 112 Abs. 3 StPO ausnahmsweise keines besonderen Haftgrundes, so dass sich Haftbefehle in derartigen Verfahren als Regelfall darstellen.
Zu einer polizeilichen Vorladung als Beschuldigter besteht grundsätzlich keine Pflicht zu erscheinen; eine Pflicht besteht erst bei einer staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Ladung. Unabhängig davon gilt immer das Recht zu schweigen. Eine Einlassung sollte auch in Kapitalstrafsachen erst nach Akteneinsicht und anwaltlicher Beratung erfolgen.
Kapitalstrafverfahren sind wegen der Vielzahl an Beweisen, Zeugen und Gutachten oft besonders umfangreich und können sich über viele Monate erstrecken. In Haftsachen gilt zwar ein Beschleunigungsgrundsatz, dennoch hängt die Dauer stark vom Umfang der Beweisaufnahme und der Komplexität des Falles ab.
Mord verjährt nach deutschem Recht nicht, sodass Ermittlungen und Strafverfolgung auch viele Jahre nach der Tat noch möglich sind. Totschlag verjährt dagegen grundsätzlich nach zwanzig Jahren, sofern keine besonderen gesetzlichen Ausnahmen eingreifen.
Bei Tötungsdelikten wird häufig geprüft, ob der Beschuldigte sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand oder seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war, was zu einer anderen rechtlichen Bewertung und zu einer Strafmilderung führen kann. Rechtsmedizinische und psychiatrische Gutachten sind dabei zentral, weil sie Einfluss auf die Frage der Schuldfähigkeit und damit auf Strafmaß oder besondere Maßnahmen (z.B. Unterbringung) haben können.
