Straf­ver­tei­di­gung im Medizinstrafrecht

TAURUS.legal

Medi­zin­straf­recht – Ein­ord­nung und typi­sche Konstellationen

Unter Medi­zin­straf­recht ver­steht man die Gesamt­heit straf­recht­li­cher Vor­schrif­ten und Ver­fah­ren, die sich auf medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen, die Orga­ni­sa­ti­on von Pra­xen und Kli­ni­ken sowie auf das Abrechnungs‑ und Gesund­heits­we­sen bezie­hen. Typi­sche Tat­vor­wür­fe betref­fen vor allem Behand­lungs­feh­ler mit dem Vor­wurf der fahr­läs­si­gen Kör­per­ver­let­zung oder fahr­läs­si­gen Tötung, Abrech­nungs­be­trug, Kor­rup­ti­on im Gesund­heits­we­sen, Ver­stö­ße gegen das Betäu­bungs­mit­tel‑ oder Arz­nei­mit­tel­recht sowie die Ver­let­zung der ärzt­li­chen Schweigepflicht.

Eine Beson­der­heit liegt dar­in, dass die straf­recht­li­che Bewer­tung oft eng mit medi­zi­ni­schen Fach­fra­gen ver­knüpft ist: So kann der Heil­ein­griff selbst als Kör­per­ver­let­zung gewer­tet wer­den, wenn kei­ne wirk­sa­me Ein­wil­li­gung des Pati­en­ten vor­liegt. Im Fal­le des Vor­wurfs von Diagnose‑ oder The­ra­pie­feh­lern ist die Beur­tei­lung, ob Behand­lung den fach­li­chen Stan­dards ent­sprach (de lege artis), von zen­tra­ler Bedeu­tung. Par­al­lel zu straf­recht­li­chen Ver­fah­ren dro­hen häu­fig berufs­recht­li­che Maß­nah­men der Ärz­te­kam­mern sowie zivil­recht­li­che Arzthaftungsprozesse.

Inhalts­ver­zeich­nis
    Fügen Sie eine Über­schrift hin­zu, um mit der Erstel­lung des Inhalts­ver­zeich­nis­ses zu beginnen

    Behand­lungs­feh­ler, fahr­läs­si­ge Kör­per­ver­let­zung und fahr­läs­si­ge Tötung

    Der häu­figs­te straf­recht­li­che Vor­wurf im Medi­zin­straf­recht ist die fahr­läs­si­ge Kör­per­ver­let­zung oder die fahr­läs­si­ge Tötung im Zusam­men­hang mit einer Behand­lung. Maß­geb­lich ist, ob der ärzt­li­che oder pfle­ge­ri­sche Stan­dard unter­schrit­ten wur­de – etwa durch Dia­gno­se­feh­ler, unzu­rei­chen­de Befund­er­he­bung, feh­ler­haf­te Indi­ka­ti­ons­stel­lung, ope­ra­ti­ve Feh­ler, Medi­ka­ti­ons­feh­ler oder man­geln­de Überwachung.

    Straf­recht­lich wird geprüft, ob ein ärzt­li­cher Sorg­falts­pflicht­ver­stoß vor­liegt, ob die­ser für den ein­ge­tre­te­nen Gesund­heits­scha­den kau­sal und zure­chen­bar war und ob der Vor­wurf der Fahr­läs­sig­keit gerecht­fer­tigt ist, also die im medi­zi­ni­schen Ver­kehr erfor­der­li­che Sorg­falt außer Acht gelas­sen wur­de. Zen­tral ist außer­dem die Fra­ge der wirk­sa­men Ein­wil­li­gung: Eine sol­che setzt eine hin­rei­chen­de Auf­klä­rung über Art des Ein­griffs, Risi­ken, Behand­lungs­al­ter­na­ti­ven und Behand­lungs­ziel vor­aus; fehlt die­se Auf­klä­rung, kann der Ein­griff als Kör­per­ver­let­zung ohne wirk­sa­me Ein­wil­li­gung gewer­tet wer­den – vor­be­halt­lich der engen Aus­nah­men der soge­nann­ten hypo­the­ti­schen Einwilligung.

    Abrech­nungs­be­trug und Kor­rup­ti­on im Gesundheitswesen

    Ein wei­te­rer Schwer­punkt des Medi­zin­straf­rechts liegt im Bereich von Abrech­nungs­fra­gen: Der Vor­wurf des Abrech­nungs­be­trugs stützt sich regel­mä­ßig auf den Betrugs­tat­be­stand des § 263 StGB und betrifft etwa die Abrech­nung nicht erbrach­ter Leis­tun­gen, die sys­te­ma­ti­sche Falsch­co­die­rung, die unzu­läs­si­ge Dele­ga­ti­on oder die Abrech­nung nicht per­sön­lich erbrach­ter Leis­tun­gen. Ermitt­lungs­be­hör­den wer­ten hier­bei häu­fig län­ge­re Abrech­nungs­zeit­räu­me aus, zie­hen Richt­grö­ßen, Plau­si­bi­li­täts­prü­fun­gen und sta­tis­ti­sche Auf­fäl­lig­kei­ten her­an und lei­ten dar­aus einen Anfangs­ver­dacht ab.

    Dane­ben spie­len Kor­rup­ti­ons­de­lik­te im Gesund­heits­we­sen eine zuneh­men­de Rol­le, ins­be­son­de­re die in §§ 299a, 299b StGB gere­gel­te Bestech­lich­keit und Bestechung im Gesund­heits­we­sen. Gegen­stand sol­cher Ver­fah­ren sind häu­fig Zuwen­dun­gen von Pharma‑ oder Medi­zin­pro­duk­te­un­ter­neh­men, unzu­läs­si­ge Vor­teils­ge­wäh­run­gen, Schein­an­stel­lun­gen oder ver­deck­te Rück­ver­gü­tun­gen, die als unlau­te­rer Vor­teil für die Ver­ord­nung oder den Bezug bestimm­ter Pro­duk­te gewer­tet wer­den können.

    Wei­te­re straf­recht­li­che Risi­ken im Gesundheitswesen

    Neben Behand­lungs­feh­lern und Abrech­nungs­fra­gen tre­ten wei­te­re straf­recht­li­che Vor­wür­fe hin­zu, etwa Ver­stö­ße gegen das Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz (z.B. unzu­läs­si­ge Ver­schrei­bun­gen, feh­len­de Doku­men­ta­ti­on, Umgang mit Betäu­bungs­mit­teln außer­halb der zuläs­si­gen Indi­ka­ti­on) oder gegen das Arzneimittel‑ und Medi­zin­pro­dukt­e­recht. Auch die Ver­let­zung der ärzt­li­chen Schwei­ge­pflicht, der unbe­fug­te Zugriff auf Pati­en­ten­ak­ten, die unzu­läs­si­ge Wei­ter­ga­be von Gesund­heits­da­ten oder Grenz­ver­let­zun­gen im Arzt‑Patienten‑Verhältnis kön­nen straf­recht­lich rele­vant sein.

    In Ein­zel­fäl­len wer­den außer­dem Vor­wür­fe wie unter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung, sexu­el­le Über­grif­fe im Behand­lungs­ver­hält­nis, Urkun­den­de­lik­te (z.B. fal­sche Attes­te) oder Untreue im Zusam­men­hang mit Praxis‑ und Kli­nik­or­ga­ni­sa­ti­on erho­ben. Für Betrof­fe­ne ist wich­tig, die Wech­sel­wir­kung zwi­schen die­sen straf­recht­li­chen Risi­ken und berufs­recht­li­chen oder haf­tungs­recht­li­chen Ver­fah­ren im Blick zu behalten.

    Ablauf des Straf­ver­fah­rens und Beson­der­hei­ten der Verteidigung

    Ein Straf­ver­fah­ren im Medi­zin­straf­recht beginnt häu­fig mit einer Anzei­ge von Pati­en­ten, Kran­ken­kas­sen, Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen, Kol­le­gen oder Behör­den, aber auch mit Prüf­mit­tei­lun­gen von Abrech­nungs­stel­len oder Ermitt­lun­gen ande­rer Ver­fah­ren. Die Staats­an­walt­schaft lei­tet dar­auf­hin ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein, in dem Pati­en­ten­ak­ten, Abrech­nungs­un­ter­la­gen, inter­ne Doku­men­ta­ti­on, elek­tro­ni­sche Daten und gege­be­nen­falls Gut­ach­ten aus­ge­wer­tet wer­den. In Behand­lungs­feh­ler­ver­fah­ren kommt rechts­me­di­zi­ni­schen und fach­me­di­zi­ni­schen Gut­ach­ten beson­de­re Bedeu­tung zu, wäh­rend in Abrech­nungs­fäl­len häu­fig Gut­ach­ter hin­zu­ge­zo­gen werden.

    Wie in ande­ren Straf­ver­fah­ren gilt auch hier das Recht zu schwei­gen; es besteht kei­ne Pflicht, gegen­über Poli­zei oder Staats­an­walt­schaft Anga­ben zur Sache zu machen. Beschul­dig­te haben einen Anspruch auf Akten­ein­sicht. Die­ser soll­te mög­lichst durch eine Anwalt aus­ge­übt wer­den, um die Grund­la­ge des Tat­vor­wurfs zu ken­nen – ins­be­son­de­re, wel­che Unter­la­gen bereits vor­lie­gen, wel­che Aus­wer­tun­gen vor­ge­nom­men wur­den und wel­che Schluss­fol­ge­run­gen die Ermitt­lungs­be­hör­den zie­hen. Ob und in wel­cher Form eine Stel­lung­nah­me erfol­gen soll­te (schrift­li­che Ein­las­sung, ergän­zen­de Unter­la­gen, münd­li­che Aus­sa­ge) ist eine stra­te­gi­sche Fra­ge, die im Lich­te der Akten­la­ge und mög­li­cher berufs­recht­li­cher Fol­gen ent­schie­den wer­den sollte.

    Häu­fi­ge Fra­gen (FAQ) zum Medizinstrafrecht

    Typi­sche Vor­wür­fe sind fahr­läs­si­ge Kör­per­ver­let­zung und fahr­läs­si­ge Tötung im Zusam­men­hang mit Behand­lungs­feh­lern, Abrech­nungs­be­trug, Kor­rup­ti­on im Gesund­heits­we­sen, Ver­stö­ße gegen Betäubungsmittel‑ und Arz­nei­mit­tel­recht sowie Ver­let­zung der Schweigepflicht.

    Eine Straf­bar­keit kommt in Betracht, wenn der fach­li­che Stan­dard ver­fehlt wur­de (z.B. Diagnose‑, Befunderhebungs‑ oder The­ra­pie­feh­ler), hier­durch ein Gesund­heits­scha­den ein­ge­tre­ten ist und der Feh­ler zumin­dest auf Fahr­läs­sig­keit beruht; bei unzu­rei­chen­der Auf­klä­rung kann zudem der Ein­griff selbst als vor­sätz­li­che Kör­per­ver­let­zung ohne wirk­sa­me Ein­wil­li­gung gewer­tet werden.

    Abrech­nungs­be­trug liegt vor, wenn gegen­über Kas­sen oder Pati­en­ten wis­sent­lich fal­sche Anga­ben gemacht wer­den, etwa durch Abrech­nung nicht erbrach­ter Leis­tun­gen, sys­te­ma­ti­sche Falsch­co­die­rung oder die Abrech­nung nicht per­sön­lich erbrach­ter Leis­tun­gen, wodurch ein Ver­mö­gens­scha­den entsteht.

    Neben Geld‑ oder Frei­heits­stra­fe dro­hen berufs­recht­li­che Kon­se­quen­zen wie Rügen, Geld­auf­la­gen oder der Ent­zug der Appro­ba­ti­on sowie zivil­recht­li­che Schadensersatz‑ und Schmer­zens­geld­an­sprü­che und ent­spre­chen­de Ein­trä­ge im Bundeszentralregister.

    Auch bei Vor­wür­fen aus dem Bereich des Medi­zin­straf­rechts besteht kei­ne Pflicht, einer poli­zei­li­chen Vor­la­dung als Beschul­dig­ter Fol­ge zu leis­ten. Etwas ande­res gilt ledig­lich bei staats­an­walt­schaft­li­chen und gericht­li­chen Vor­la­dun­gen. Gleich­wohl gilt auch hier: Sie haben jeder­zeit das Recht zu schwei­gen; ob eine Aus­sa­ge sinn­voll ist, soll­te grund­sätz­lich erst nach Akten­ein­sicht und anwalt­li­cher Bera­tung ent­schie­den werden.

    Grund­sätz­lich darf eine ärzt­li­che Behand­lung nur nach wirk­sa­mer Ein­wil­li­gung erfol­gen; ohne Ein­wil­li­gung ist selbst ein medi­zi­nisch sinn­vol­ler Ein­griff recht­lich eine Kör­per­ver­let­zung. Nur in eng begrenz­ten Aus­nah­men – etwa in aku­ten Not­fäl­len, wenn der Pati­ent nicht ein­wil­li­gungs­fä­hig ist und sein Wil­le auch nicht — etwa durch eine Pati­en­ten­ver­fü­gung — ermit­telt wer­den kann, und ein schwe­rer Gesund­heits­scha­den droht oder bei gesetz­lich gere­gel­ten Zwangs­maß­nah­men nach vor­he­ri­ger rich­ter­li­cher Ent­schei­dung – kann vor­über­ge­hend ohne aus­drück­li­che Ein­wil­li­gung behan­delt werden.

    Nach oben scrollen