Straf­ver­tei­di­gung im Sexualstrafrecht

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Ver­tei­di­gung bei Sexualstraftaten

Das Sexu­al­straf­recht in Deutsch­land umfasst die Straf­nor­men für Ver­hal­tens­wei­sen mit Bezug zur Sexua­li­tät und dient heu­te in ers­ter Linie dem Schutz der sexu­el­len Selbst­be­stim­mung. Kern­be­reich sind die Vor­schrif­ten der §§ 174–184l StGB, die u.a. sexu­el­len Über­griff, sexu­el­le Nöti­gung, Ver­ge­wal­ti­gung sowie ver­schie­de­ne For­men des sexu­el­len Miss­brauchs erfas­sen. Mit der Reform des § 177 StGB und der Ver­an­ke­rung des Grund­sat­zes „Nein heißt Nein“ hat der Gesetz­ge­ber den Schutz­be­reich deut­lich erwei­tert und klar­ge­stellt, dass bereits die Miss­ach­tung eines erkenn­ba­ren ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­lens straf­bar sein kann.

Wer mit einem Vor­wurf wegen Ver­ge­wal­ti­gung, sexu­el­ler Nöti­gung, sexu­el­ler Beläs­ti­gung oder Besitz kin­der­por­no­gra­phi­scher Inhal­te kon­fron­tiert wird, sieht sich regel­mä­ßig nicht nur straf­recht­li­chen, son­dern auch erheb­li­chen beruf­li­chen, fami­liä­ren und sozia­len Fol­gen aus­ge­setzt. In die­ser Lage ist es ent­schei­dend, die eige­nen Rech­te als Beschul­dig­ter zu ken­nen, das Aus­sa­ge­ver­hal­ten zu kon­trol­lie­ren und früh­zei­tig spe­zia­li­sier­te straf­recht­li­che Ver­tei­di­gung in Anspruch zu nehmen.

Inhalts­ver­zeich­nis
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    Typi­sche Sexu­al­de­lik­te – Bei­spie­le und Strafrahmen

    Zu den häu­figs­ten Tat­vor­wür­fen im Sexu­al­straf­recht gehö­ren der sexu­el­le Über­griff, die sexu­el­le Nöti­gung und die Ver­ge­wal­ti­gung nach § 177 StGB. Bereits der Grund­tat­be­stand des sexu­el­len Über­griffs erfasst sexu­el­le Hand­lun­gen gegen den erkenn­ba­ren Wil­len einer Per­son und ist mit Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bedroht. Liegt ein beson­ders schwe­rer Fall vor, etwa wenn Bei­schlaf oder eine ver­gleich­ba­re Pene­tra­ti­on gegen den Wil­len des Opfers erzwun­gen wird, kom­men Straf­rah­men ab zwei Jah­ren Frei­heits­stra­fe in Betracht; in beson­ders gra­vie­ren­den Kon­stel­la­tio­nen kann die Stra­fe zehn Jah­re oder mehr betragen.

    Dane­ben exis­tie­ren zahl­rei­che Tat­be­stän­de des sexu­el­len Miss­brauchs, etwa von Kin­dern, Schutz­be­foh­le­nen oder Jugend­li­chen, bei denen das Gesetz je nach Kon­stel­la­ti­on Frei­heits­stra­fen von weni­gen Mona­ten bis zu lan­gen Frei­heits­stra­fen oder sogar lebens­lan­ger Frei­heits­stra­fe vor­sieht, ins­be­son­de­re bei Taten mit Todes­fol­ge. Hin­zu kom­men Delik­te im Bereich des Besit­zes, der Ver­brei­tung oder Her­stel­lung kin­der­por­no­gra­phi­scher und jugend­por­no­gra­phi­scher Inhal­te, die eben­falls mit emp­find­li­chen Frei­heits­stra­fen und weit­rei­chen­den beruf­li­chen Kon­se­quen­zen ver­bun­den sein können.

    Ablauf des Sexualstrafverfahrens

    Ein Sexu­al­straf­ver­fah­ren beginnt meist mit einer Straf­an­zei­ge – häu­fig durch die betrof­fe­ne Per­son, Ange­hö­ri­ge, Insti­tu­tio­nen oder Behör­den wie Jugend­amt oder Schu­le. Die Staats­an­walt­schaft lei­tet auf die­ser Grund­la­ge ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein, in des­sen Rah­men Zeu­gen ver­nom­men, ärzt­li­che oder rechts­me­di­zi­ni­sche Befun­de ein­ge­holt, digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­läu­fe aus­ge­wer­tet und gege­be­nen­falls psy­cho­lo­gi­sche oder psych­ia­tri­sche Gut­ach­ten ver­an­lasst wer­den. Gera­de im Sexu­al­straf­recht spie­len Aus­sa­ge-gegen-Aus­sa­ge-Kon­stel­la­tio­nen und die Beur­tei­lung von Aus­sa­ge­psy­cho­lo­gie und Glaub­wür­dig­keit eine zen­tra­le Rol­le, was den Ver­fah­rens­ver­lauf erheb­lich prä­gen kann.

    Je nach Schwe­re des Tat­vor­wurfs und ange­nom­me­ner Beweis­la­ge kann die Staats­an­walt­schaft Unter­su­chungs­haft bean­tra­gen, wenn drin­gen­der Tat­ver­dacht und ein Haft­grund – etwa Flucht‑, Ver­dun­ke­lungs- oder Wie­der­ho­lungs­ge­fahr – vor­lie­gen. In Fäl­len schwe­rer Sexu­al­de­lik­te mit zu erwar­ten­den hohen Frei­heits­stra­fen wird Unter­su­chungs­haft in der Pra­xis ver­gleichs­wei­se häu­fig ange­ord­net, ins­be­son­de­re wenn wei­te­re Taten befürch­tet wer­den oder die Gefahr der Ein­wir­kung auf Zeu­gen gese­hen wird. Nach Abschluss der Ermitt­lun­gen ent­schei­det die Staats­an­walt­schaft, ob das Ver­fah­ren ein­ge­stellt, per Straf­be­fehl abge­schlos­sen oder Ankla­ge erho­ben wird; bei Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens wer­den in der Haupt­ver­hand­lung sämt­li­che wesent­li­chen Beweis­mit­tel umfas­send erho­ben und gewürdigt.

    Rech­te von Beschul­dig­ten im Sexualstrafrecht

    Beschul­dig­te haben in jedem Sta­di­um des Straf­ver­fah­rens das Recht zu schwei­gen und müs­sen – neben den Per­so­na­li­en – kei­ne Anga­ben zur Sache machen. Die­ses Schwei­ge­recht gilt sowohl bei der poli­zei­li­chen Vor­la­dung als auch bei staats­an­walt­schaft­li­chen oder gericht­li­chen Ver­neh­mun­gen und darf recht­lich nicht zu ihrem Nach­teil gewer­tet wer­den. In der Pra­xis ent­ste­hen Belas­tun­gen oft dadurch, dass Betrof­fe­ne in der ers­ten Reak­ti­on ver­su­chen, sich spon­tan zu recht­fer­ti­gen oder ver­meint­li­che Miss­ver­ständ­nis­se „auf­zu­klä­ren“ und dabei Aus­sa­gen täti­gen, die spä­ter als belas­ten­de Indi­zi­en im Pro­zess gewer­tet werden.

    Beschul­dig­te haben das Recht auf umfas­sen­de Akten­ein­sicht; erst auf Grund­la­ge der Kennt­nis der Ermitt­lungs­ak­te lässt sich ver­läss­lich beur­tei­len, wel­che Aus­sa­gen die Anzei­gen­er­stat­te­rin oder Zeu­gen gemacht haben, wel­che Gut­ach­ten vor­lie­gen und wie die Staats­an­walt­schaft den Sach­ver­halt recht­lich bewer­tet. Ob eine Ein­las­sung zur Sache sinn­voll ist, zu wel­chem Zeit­punkt sie erfol­gen soll­te und wel­che Inhal­te sie haben kann, ist eine stra­te­gi­sche Ent­schei­dung, die nach Sich­tung der Akten und Abwä­gung der Risi­ken zu tref­fen ist.

    Ver­tei­di­gungs­an­sät­ze im Sexualstrafrecht

    In Sexu­al­straf­ver­fah­ren geht es häu­fig weni­ger um die Fra­ge, ob ein Kon­takt statt­ge­fun­den hat, son­dern dar­um, ob er ein­ver­nehm­lich war, wie der „erkenn­ba­re Wil­le“ der betrof­fe­nen Per­son zu bestim­men ist und ob nach­weis­bar Gren­zen zur Straf­bar­keit über­schrit­ten wur­den. Die Ver­tei­di­gung prüft des­halb sorg­fäl­tig Ver­neh­mungs­pro­to­kol­le, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­läu­fe, zeit­li­che Abläu­fe und mög­li­che Wider­sprü­che in Aus­sa­gen, um alter­na­ti­ve Deu­tun­gen des Gesche­hens und ent­las­ten­de Umstän­de sicht­bar zu machen. In Fäl­len, in denen Min­der­jäh­ri­ge oder beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen betei­ligt sind, tritt hin­zu, dass Rei­fe­grad, Ver­ständ­nis der Situa­ti­on und mög­li­che Beein­flus­sun­gen (z.B. durch Drit­te) bei der Bewer­tung von Aus­sa­gen und Beweis­mit­teln zu berück­sich­ti­gen sind.

    Neben der inhalt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Tat­vor­wurf sind auch die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen von Bedeu­tung: So kann je nach Sach­la­ge eine Ein­stel­lung man­gels hin­rei­chen­den Tat­ver­dachts, eine Beschrän­kung des Ver­fah­rens oder eine Straf­mil­de­rung – etwa auf­grund beson­de­rer per­sön­li­cher Umstän­de – in Betracht kom­men. Wo eine Ver­ur­tei­lung nicht voll­stän­dig abge­wen­det wer­den kann, kon­zen­triert sich die Ver­tei­di­gung dar­auf, Straf­maß und Neben­fol­gen – etwa Ein­tra­gun­gen, Auf­la­gen oder Berufs­be­schrän­kun­gen – so gering wie mög­lich zu hal­ten und die Zukunfts­per­spek­ti­ven der Betrof­fe­nen im Blick zu behalten.

    Häu­fi­ge Fra­gen (FAQ) zum Sexualstrafrecht

    Sexu­al­straf­recht umfasst alle Straf­tat­be­stän­de, die sexu­el­le Hand­lun­gen oder sexu­al­be­zo­ge­ne Ver­hal­tens­wei­sen unter Stra­fe stel­len und vor allem der Siche­rung der sexu­el­len Selbst­be­stim­mung die­nen. Dazu zäh­len u.a. sexu­el­ler Über­griff, sexu­el­le Nöti­gung, Ver­ge­wal­ti­gung, ver­schie­de­ne For­men sexu­el­len Miss­brauchs sowie bestimm­te Por­no­gra­phie­de­lik­te, ins­be­son­de­re im Zusam­men­hang mit Minderjährigen.

    Bei Ver­ge­wal­ti­gung oder beson­ders schwe­rer sexu­el­ler Nöti­gung rei­chen die Straf­rah­men – je nach Schwe­re und Umstän­den – von min­des­tens zwei Jah­ren Frei­heits­stra­fe bis hin zu lang­jäh­ri­gen Frei­heits­stra­fen. Schon der Grund­tat­be­stand des sexu­el­len Über­griffs gegen den erkenn­ba­ren Wil­len einer Per­son ist mit Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bedroht, sodass auch hier erheb­li­che Sank­tio­nen im Raum stehen.

    Im Fal­le einer poli­zei­li­chen Vor­la­dung als Beschul­dig­ter besteht grund­sätz­lich kei­ne Pflicht zu erschei­nen; eine sol­che Pflicht besteht ledig­lich bei staats­an­walt­schaft­li­chen oder gericht­li­chen Ladun­gen. Unab­hän­gig davon gilt für Beschul­dig­te immer das Recht zu schwei­gen. Eine Ein­las­sung soll­te erst nach anwalt­li­cher Bera­tung und Akten­ein­sicht erfol­gen, um unbe­ab­sich­tig­te Selbst­be­las­tun­gen zu ver­mei­den.

    Unter­su­chungs­haft setzt einen drin­gen­den Tat­ver­dacht sowie einen Haft­grund wie Flucht‑, Ver­dun­ke­lungs- oder Wie­der­ho­lungs­ge­fahr vor­aus und muss ver­hält­nis­mä­ßig sein. In schwe­ren Sexu­al­straf­sa­chen mit hoher Straf­er­war­tung oder bei ange­nom­me­nem Risi­ko wei­te­rer Taten wird Unter­su­chungs­haft in der Pra­xis ver­gleichs­wei­se häu­fig ange­ord­net, ins­be­son­de­re, wenn meh­re­re Vor­wür­fe im Raum ste­hen oder Zeu­gen­be­ein­flus­sung auf­grund kon­kre­ter Umstän­de zu befürch­ten ist.

    Ver­ur­tei­lun­gen wegen Sexu­al­de­lik­ten wer­den in aller Regel im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter erfasst und kön­nen – abhän­gig von Straf­hö­he und Art des Delikts – im behörd­li­chen oder auch im erwei­ter­ten Füh­rungs­zeug­nis erschei­nen. Dies kann sich erheb­lich auf beruf­li­che Per­spek­ti­ven, den Zugang zu bestimm­ten Tätig­kei­ten, auf auf­ent­halts­recht­li­che Fra­gen sowie auf fami­li­en- und jugend­ge­richt­li­che Ent­schei­dun­gen auswirken.

    Ob eine Falsch­be­schul­di­gung vor­liegt, lässt sich nur anhand der gesam­ten Beweis­la­ge beur­tei­len, ins­be­son­de­re durch Ana­ly­se von Aus­sa­gen, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­läu­fen, zeit­li­chen Abläu­fen und even­tu­el­len Wider­sprü­chen. Gelingt es, erheb­li­che Zwei­fel am Tat­vor­wurf zu begrün­den oder Wider­sprü­che im Aus­sa­ge­ver­hal­ten auf­zu­zei­gen, kann dies zu einer Ein­stel­lung oder einem Frei­spruch füh­ren; in Ein­zel­fäl­len kann auch geprüft wer­den, ob der Vor­wurf selbst straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen wegen fal­scher Ver­däch­ti­gung oder Ver­leum­dung nach sich zieht.

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