Straf­voll­stre­ckung & Straf­voll­zug – Ihre Rech­te nach dem Urteil

TAURUS.legal

Straf­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren – Ein­ord­nung und Zuständigkeiten

Nach Rechts­kraft des Urteils geht das Ver­fah­ren von der „Straf­ver­fol­gung“ in die „Straf­voll­stre­ckung“ über: Die Voll­stre­ckungs­be­hör­de (in der Regel die Staats­an­walt­schaft) prüft, ob und in wel­chem Umfang das Urteil zu voll­stre­cken ist, und trifft die dafür nöti­gen Anord­nun­gen. Sie ist für die Voll­stre­ckung von Geld‑ und Frei­heits­stra­fen, Neben­fol­gen und Maß­re­geln zustän­dig und koor­di­niert unter ande­rem Ladun­gen zum Straf­an­tritt, Voll­stre­ckungs­un­ter­bre­chun­gen und Überstellungen.

Über Fra­gen wie Rest­stra­fen­aus­set­zung zur Bewäh­rung, Wider­ruf von Bewäh­rung oder die Fort­dau­er der Voll­stre­ckung von Maß­re­geln ent­schei­det hin­ge­gen in der Regel die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer des Land­ge­richts. Das Straf­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ist damit ein eigen­stän­di­ger Abschnitt des Straf­rechts mit eige­nen Regeln, Rechts­mit­teln und Gestaltungsmöglichkeiten.

Inhalts­ver­zeich­nis
    Fügen Sie eine Über­schrift hin­zu, um mit der Erstel­lung des Inhalts­ver­zeich­nis­ses zu beginnen

    Ablauf des Straf­voll­stre­ckungs­ver­fah­rens in Grundzügen

    Typi­scher Ablauf nach Rechts­kraft einer Ver­ur­tei­lung zu einer Freiheitsstrafe:

    • Die Voll­stre­ckungs­be­hör­de for­dert die Stra­fe zur Voll­stre­ckung an (Haft­be­fehl oder Ladung zum Straf­an­tritt, je nach Konstellation).

    • Die Voll­zugs­an­stalt infor­miert im Ver­lauf der Haft über Voll­zugs­ver­lauf, Locke­run­gen, Arbeits­zei­ten, The­ra­pien und Bewährungshilfe.

    • Mit Blick auf Rest­stra­fen­aus­set­zung (§ 57 StGB) oder bei lebens­lan­ger Stra­fe (§ 57a StGB) wer­den recht­zei­tig Unter­la­gen und Stel­lung­nah­men (Anstalts­be­rich­te, Pro­gno­se­gut­ach­ten, Bewäh­rungs­hel­fer) für die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer vorbereitet.

    • Par­al­lel kön­nen Fra­gen wie Raten­zah­lung oder Ersatz­frei­heits­stra­fe bei Geld­stra­fen, Bewäh­rungs­über­wa­chung, Wider­ruf der Straf­aus­set­zung oder Zusam­men­füh­rung meh­re­rer Stra­fen (Gesamt­stra­fen­bil­dung) eine Rol­le spielen.

    Vor­zei­ti­ge Haft­ent­las­sung – Rest­stra­fen­aus­set­zung (§ 57 StGB)

    Kern­in­stru­ment der vor­zei­ti­gen Haft­ent­las­sung ist die Aus­set­zung des Straf­res­tes einer zei­ti­gen Frei­heits­stra­fe zur Bewäh­rung nach § 57 StGB. Dabei wird nicht die Stra­fe „ver­kürzt“, son­dern der noch offe­ne Straf­rest nicht mehr in Haft voll­streckt, son­dern zur Bewäh­rung ausgesetzt.

    Zwei‑Drittel‑Regelung (§ 57 Abs. 1 StGB):

    • Min­des­tens zwei Drit­tel der ver­häng­ten zei­ti­gen Frei­heits­stra­fe müs­sen ver­büßt sein (min­des­tens zwei Monate).

    • Es muss ver­ant­wor­tet wer­den kön­nen, den Ver­ur­teil­ten unter Bewäh­rungs­auf­sicht zu ent­las­sen; ent­schei­dend ist eine güns­ti­ge Legal­pro­gno­se.​

    • Die Gesamt­wür­di­gung umfasst Tat, Vor­le­ben, Voll­zugs­ver­lauf, Arbeits‑ und The­ra­pie­be­mü­hun­gen, sozia­le Bin­dun­gen und Entlassungsperspektive.

    Halb­stra­fen­aus­set­zung (§ 57 Abs. 2 StGB):

    • Grund­sätz­lich höhe­re Hür­den, aber Mög­lich­keit der Ent­las­sung bereits nach der Hälf­te der Stra­fe (min­des­tens sechs Monate).

    • Vor­aus­set­zung ist ent­we­der: Erst­ver­bü­ßung einer Frei­heits­stra­fe von maxi­mal zwei Jah­ren oder das Vor­lie­gen beson­de­rer Umstän­de nach Gesamt­wür­di­gung von Tat, Per­sön­lich­keit und Ent­wick­lung im Vollzug.

    • Als beson­de­re Umstän­de kom­men u.a. in Betracht: nach­hal­ti­ge posi­ti­ve Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung im Voll­zug, außer­ge­wöhn­li­che Mit­wir­kung bei der Auf­klä­rung wei­te­rer Straf­ta­ten, beson­de­re fami­liä­re Här­ten, hohes Alter oder erheb­li­che Krankheit.

    Die Ent­schei­dung trifft die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer nach Anhö­rung des Ver­ur­teil­ten, der Staats­an­walt­schaft und der Lei­tung der Justizvollzugsanstalt.

    Vor­zei­ti­ge Haft­ent­las­sung bei lebens­lan­ger Frei­heits­stra­fe (§ 57a StGB)

    Für lebens­lan­ge Frei­heits­stra­fen regelt § 57a StGB die vor­zei­ti­ge Entlassung:

    • Grund­vor­aus­set­zung ist, dass min­des­tens 15 Jah­re ver­büßt sind.

    • Zudem darf nicht die beson­de­re Schwe­re der Schuld die wei­te­re Voll­stre­ckung gebie­ten; die­se Fra­ge wird meist schon im Urteil oder in spä­te­ren Ent­schei­dun­gen geprüft.

    • Im Übri­gen gel­ten die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen der güns­ti­gen Sozial‑ und Legal­pro­gno­se ana­log zu § 57 Abs. 1 StGB.

    Auch hier ent­schei­det die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer auf Grund­la­ge einer umfas­sen­den Gesamt­wür­di­gung, in der neben der Schwe­re der Tat ins­be­son­de­re die Ent­wick­lung im Voll­zug, The­ra­pien, Locke­rungs­ver­lauf und das sozia­le Umfeld bewer­tet wer­den. Eines geson­der­ten Antra­ges bedarf es hier­für nicht.

    Rol­le der Ver­tei­di­gung im Strafvollstreckungsverfahren

    Im Straf­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert sich der Fokus von der Tat­ver­gan­gen­heit auf die Zukunfts­pro­gno­se und die Reso­zia­li­sie­rung. Wich­ti­ge Ver­tei­di­gungs­auf­ga­ben sind:

    • Struk­tu­rier­te Vor­be­rei­tung von Anträ­gen auf Rest­stra­fen­aus­set­zung, inklu­si­ve Dar­stel­lung des Voll­zugs­ver­laufs, Arbeits‑ und The­ra­pie­nach­wei­sen, Ent­las­sungs­kon­zep­ten und Unterstützungsnetzwerken.

    • Prü­fung und ggf. Anfech­tung ableh­nen­der Ent­schei­dun­gen (z.B. der Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer oder der Voll­stre­ckungs­be­hör­de) durch sofor­ti­ge Beschwer­de, soweit gesetz­lich vorgesehen.

    • Ver­tei­di­gung in Ver­fah­ren über Bewäh­rungs­wi­der­ruf, Anord­nung oder Fort­dau­er von Maß­re­geln, Wider­ruf von Locke­run­gen und im Zusam­men­hang mit Voll­zugs­lo­cke­run­gen oder Verlegungen.

    Gera­de bei vor­zei­ti­ger Haft­ent­las­sung ist eine früh­zei­ti­ge Pla­nung sinn­voll: Je bes­ser Voll­zugs­ver­lauf, Ent­las­sungs­vor­be­rei­tung und Pro­gno­se­un­ter­la­gen doku­men­tiert sind, des­to eher wird die Kam­mer eine posi­ti­ve Pro­gno­se anneh­men können.

    Bewäh­rung, Wider­ruf und Rück­kehr in die Strafvollstreckung

    Wird eine Rest­stra­fe zur Bewäh­rung aus­ge­setzt, ist die Ent­las­sung an Bewäh­rungs­auf­la­gen und Wei­sun­gen geknüpft, etwa regel­mä­ßi­gen Kon­takt mit dem Bewäh­rungs­hel­fer, Wohn­sitz­auf­la­gen, Therapie‑ oder Arbeits­ver­pflich­tun­gen oder Kontaktverbote.

    Ein Wider­ruf der Straf­aus­set­zung kommt ins­be­son­de­re in Betracht, wenn:

    • wäh­rend der Bewäh­rungs­zeit eine neue Straf­tat von eini­gem Gewicht began­gen wird,

    • Auf­la­gen oder Wei­sun­gen gröb­lich oder beharr­lich ver­letzt werden,

    • sich der Ver­ur­teil­te der Bewäh­rungs­auf­sicht entzieht.

    Die Rechts­grund­la­ge bil­det § 56f StGB; im Fal­le des Wider­rufs wird die aus­ge­setz­te Rest­frei­heits­stra­fe grund­sätz­lich wie­der zur Voll­stre­ckung fäl­lig. Auch hier bestehen Ver­tei­di­gungs­mög­lich­kei­ten, etwa durch Dar­le­gung ent­las­ten­der Umstän­de, Nach­bes­se­rung der Auf­la­gen­er­fül­lung oder Anträ­ge auf Abse­hen vom Wider­ruf gegen Auflagen.

    Häu­fi­ge Fra­gen (FAQ) zum Straf­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren und zur vor­zei­ti­gen Haftentlassung

    In vie­len Fäl­len kommt eine Rest­stra­fen­aus­set­zung nach Ver­bü­ßung von zwei Drit­teln der Stra­fe in Betracht, bei bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen – etwa Erst­ver­bü­ßer mit Stra­fen bis zwei Jah­re oder bei beson­de­ren Umstän­den – auch bereits nach der Hälf­te; zusätz­lich müs­sen eine posi­ti­ve Pro­gno­se und wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen des § 57 StGB vorliegen.

    In vie­len Fäl­len prüft die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer die Aus­set­zung des Straf­res­tes von Amts wegen, etwa bei län­ge­ren zei­ti­gen Frei­heits­stra­fen, Erst­ver­bü­ßern und lebens­lan­gen Frei­heits­stra­fen; gleich­wohl ist es regel­mä­ßig sinn­voll, die Ent­las­sung aktiv vor­zu­be­rei­ten und durch einen begrün­de­ten Antrag mit Unter­la­gen zu untermauern.

    Voll­zugs­ver­lauf, Arbeit, Schul‑ oder Aus­bil­dungs­maß­nah­men, Teil­nah­me an Therapie‑ oder Behand­lungs­pro­gram­men, Kon­flikt­ver­hal­ten und Umgang mit Locke­run­gen sind zen­tra­le Fak­to­ren der Pro­gno­se; doku­men­tier­te posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen wir­ken sich bei der Ent­schei­dung über die Rest­stra­fen­aus­set­zung regel­mä­ßig güns­tig aus.

    Gegen ableh­nen­de Ent­schei­dun­gen kann – je nach Kon­stel­la­ti­on – sofor­ti­ge Beschwer­de ein­ge­legt wer­den; bleibt die­se erfolg­los, kann nach Ablauf einer bestimm­ten Sperr­frist ein neu­er Antrag gestellt wer­den, ins­be­son­de­re wenn sich die Umstän­de (z.B. The­ra­pie­fort­schrit­te, sozia­les Umfeld, Haft­dau­er) wesent­lich geän­dert haben.

    Die vor­zei­ti­ge Ent­las­sung selbst wird nicht rück­wir­kend auf­ge­ho­ben, aber die Straf­aus­set­zung kann wider­ru­fen wer­den, wenn Bewäh­rungs­auf­la­gen ver­letzt oder neue Straf­ta­ten began­gen wer­den; in die­sem Fall wird die noch offe­ne Rest­stra­fe grund­sätz­lich wie­der zur Voll­stre­ckung fällig.

    Zustän­dig ist die Straf­voll­stre­ckungs­kam­mer des Land­ge­richts, bei der Anhö­run­gen und Ent­schei­dun­gen zur Rest­stra­fen­aus­set­zung, Bewäh­rung und Wider­ruf erfol­gen. Anwalt­li­cher Bei­stand ist mög­lich und oft sinn­voll, um Pro­gno­se­un­ter­la­gen auf­zu­be­rei­ten, Stel­lung­nah­men zu koor­di­nie­ren und Rechts­mit­tel gegen ableh­nen­de Beschlüs­se ein­zu­le­gen und zu begründen.

    Nach oben scrollen