Strafverteidigung im Wirtschaftsstrafrecht
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Wirtschaftsstrafrecht – Einordnung und typische Vorwürfe
Dem Wirtschaftsstrafrecht werden alle Straftatbestände zugerechnet, die wirtschaftsbezogene Taten unter Strafe stellen oder einen engen Bezug zum Wirtschaftsleben aufweisen. Typische Kernbereiche sind Vorwürfe wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) Vermögensdelikte wie Betrug (§ 263 StGB), Subventions‑ und Kapitalanlagebetrug (§§ 264, 264a StGB), Untreue (§ 266 StGB), Korruptionsdelikte im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB), Steuerstraftaten (insbesondere Steuerhinterziehung nach § 370 AO) sowie Insolvenzstraftaten und bestimmte arbeitsstrafrechtliche Vorwürfe.
In der Praxis reichen die Konstellationen von unvollständigen oder unrichtigen Angaben gegenüber Banken, Investoren oder Behörden, über pflichtwidrige Vermögensverfügungen, Scheinrechnungen, „Luftleistungen“ und Subventionsanträge, bis hin zu nicht oder verspätet gestellten Insolvenzanträgen, verdeckten Provisionszahlungen oder systematischen Verstößen gegen Sozialversicherungs‑ und Steuervorschriften. Neben der strafrechtlichen Seite drohen regelmäßig Nebeneffekte wie zivilrechtliche Haftung, berufsrechtliche Verfahren, Eintragung in Register oder Verbandsgeldbußen gegen Unternehmen.
Ablauf des Wirtschaftsstrafverfahrens
Wirtschaftsstrafverfahren starten häufig mit Hinweisen von Banken, Geschäftspartnern, Wettbewerbern, Betriebsprüfungen, Zoll‑ oder Steuerfahndung oder Prüfmitteilungen von Aufsichtsbehörden. Die Staatsanwaltschaft leitet dann ein Ermittlungsverfahren ein, in dem Unterlagen, E‑Mails, Buchhaltungsdaten, Verträge und Zahlungsströme ausgewertet, Zeugen vernommen und ggf. Sachverständige hinzugezogen werden. Nicht selten kommt es zu Durchsuchungen in Unternehmen und Privatwohnungen, Sicherstellungen von Datenträgern und – insbesondere bei Vorwurf erheblicher Vermögensdelikte – auch zu vorläufigen Maßnahmen wie Arrest oder Kontenpfändungen.
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt, ein Strafbefehl beantragt oder Anklage erhoben wird. Im Zwischenverfahren prüft das Gericht die Anklage auf hinreichenden Tatverdacht und formelle Voraussetzungen; wird das Hauptverfahren eröffnet, folgt in der Hauptverhandlung die Beweisaufnahme mit Auswertung von Unterlagen, Vernehmung von Zeugen, Wirtschaftsprüfern und Sachverständigen. Gerade in umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren erstrecken sich Hauptverhandlungen häufig über mehrere Verhandlungstage bis hin zu langen Verfahren, in denen Freispruch, Verurteilung oder Einstellungen in Betracht kommen.
Rechte von Beschuldigten und Unternehmen
Beschuldigte haben in allen Verfahrensstadien das Recht zu schweigen und sind nur zu Angaben zur Person verpflichtet; eine Pflicht, sich zur Sache einzulassen, besteht nicht. Daneben besteht ein Anspruch auf umfassende Akteneinsicht, die in Wirtschaftsstrafverfahren besonders wichtig ist, um komplexe Sachverhalte, Gutachten und Bewertungen der Ermittlungsbehörden nachvollziehen zu können. Unternehmen selbst können zwar strafrechtlich nicht verurteilt werden, sind aber über § 30 OWiG Adressaten empfindlicher Verbandsgeldbußen und können als Nebenbeteiligte in das Verfahren einbezogen werden, wenn eine Leitungsperson eine Straftat begangen hat, durch die das Unternehmen Pflichten verletzt oder bereichert wurde.
Die frühzeitige Hinzuziehung eines professionellen Verteidigers ermöglicht es, auf Ermittlungsmaßnahmen einzuwirken, die Kommunikation mit Behörden zu strukturieren, interne Sachverhaltsaufklärung zu koordinieren und gegebenenfalls auf Einstellungen oder begrenzte Verfahren hinzuarbeiten, bevor eine öffentliche Hauptverhandlung droht.
Strafrechtliche Risiken von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten
Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte tragen eine strafrechtlich relevante Gesamtverantwortung für die Einhaltung von Gesetzen im Unternehmen. Dazu zählen insbesondere Risiken aus Betrug, Untreue, Insolvenzdelikten, Steuerstraftaten, Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, Korruptionsdelikten sowie Umwelt‑, Arbeits‑ und Aufsichtspflichtverstößen.
Strafrechtliche Verantwortung ergibt sich dabei sowohl aus eigenen Handlungen (z.B. riskante Vermögensdispositionen, verspätete Insolvenzanträge, bewusst unzutreffende Angaben gegenüber Behörden oder Vertragspartnern) als auch aus Organisations‑ und Überwachungsdefiziten, wenn Straftaten von Mitarbeitenden nicht hinreichend verhindert oder kontrolliert werden. Durch die Organ‑ und Vertreterhaftung werden Pflichten des Unternehmens auf die Leitungsebene „durchgereicht“, sodass Verstöße im Unternehmen strafrechtlich den verantwortlichen Personen zugerechnet werden können.
Für Organmitglieder bedeutet dies, dass neben zivil‑ und haftungsrechtlichen Folgen auch persönliche Strafverfahren, Einträge im Führungszeugnis, Berufsverbote und empfindliche Geld‑ oder Freiheitsstrafen drohen können. Eine klare Compliance‑Struktur, dokumentierte Aufsichts‑ und Kontrollmaßnahmen sowie frühzeitige strafrechtliche Beratung sind daher zentrale Bausteine zur Begrenzung dieser Risiken.
Häufige Fragen (FAQ) zum Wirtschaftsstrafrecht
Typische Delikte sind Geldwäsche, Betrug, Subventionsbetrug, Kapitalanlagebetrug, Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, Steuerhinterziehung, Insolvenzdelikte (z.B. Insolvenzverschleppung, Bankrott), Vorenthalten von Arbeitsentgelt sowie bestimmte Delikte aus dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG).
Zu einer polizeilichen Vorladung als Beschuldigter besteht keine Pflicht zu erscheinen, und es gilt jederzeit das Recht zu schweigen; bei staatsanwaltschaftlicher oder gerichtlicher Ladung besteht zwar eine Erscheinenspflicht, das Aussageverweigerungsrecht bleibt aber bestehen. Ob und in welcher Form eine Einlassung sinnvoll ist, sollte erst nach Akteneinsicht und anwaltlicher Beratung entschieden werden.
Der Strafrahmen reicht – je nach Delikt und Schadenshöhe – von Geldstrafe über Bewährungsstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen, insbesondere bei schweren Betrugs‑, Untreue‑ oder Steuerdelikten und bei großer Schadenssumme. Zusätzlich drohen häufig Nebenfolgen wie Berufsverbote, Eintragung in Führungs- und Gewerberegister oder die Verhängung hoher Verbandsgeldbußen gegen beteiligte Unternehmen.
Unternehmen können strafrechtlich nicht verurteilt werden, es können aber nach § 30 OWiG empfindliche Verbandsgeldbußen verhängt werden, wenn eine Leitungsperson eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, durch die Pflichten des Unternehmens verletzt oder das Unternehmen bereichert wurde. Das Unternehmen kann dann als Nebenbeteiligter in das Verfahren einbezogen werden und verfügt in der Hauptverhandlung über eigene Verfahrensrechte.
Ein Steuerstrafverfahren verläuft regelmäßig in drei Phasen: Ermittlungsverfahren (z.B. durch Steuerfahndung, Auswertung von Steuererklärungen), Zwischenverfahren (gerichtliche Prüfung der Anklage) und gerichtliches Hauptverfahren mit Beweisaufnahme und anschließender Entscheidung über Freispruch oder Verurteilung. Auch im Steuerstrafverfahren ist das frühzeitige Hinzuziehen eines spezialisierten Verteidigers wichtig, um Fehler im Ermittlungsstadium zu vermeiden, Verhandlungsspielräume zu nutzen und ggf. auch bereits eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken.
Ob eine Einstellung in Betracht kommt, hängt von Delikt, Schadenshöhe, Beweislage, persönlicher Situation und ggf. aktiver Schadenswiedergutmachung oder Kooperation ab. Gerade im frühen Ermittlungsstadium bestehen häufig Möglichkeiten, durch geordnete Aufarbeitung, Nachbesserungen oder Kompensationen auf eine Einstellung – etwa gegen Auflagen – hinzuwirken und eine öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden.
